Überblick über Umnutzungen städtischer Flächen in München
Ausgangslage:
Die Stadt München hat für den zukünftigen Umgang mit Freiflächen im Stadtgebiet das Konzeptgutachten „Freiraum München 2030“ erarbeitet. Freiräume sind in der wachsenden Stadt unerlässlich für eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt. Herausforderungen wie knappe Grünflächen und fehlende oder zu kleine öffentliche Aufenthaltsräume stehen diesen Anforderungen jedoch teils entgegen. Auch das Ziel einer verkehrsberuhigten (Innen-) Stadt, macht die Umnutzung vorhandener Flächen notwendig. Durch die innovative Umnutzung von Flächen von reinen Verkehrs- hin zu Aufenthalts- und Erholungsräumen können neue und interessante Freiräume geschaffen werden. Einige Projekte dieser Art wurden bereits umgesetzt, andere befinden sich noch in frühen Planungsphasen. Auch Maßnahmen wie der Mobilitätskongress 2023, bei dem Projekte von Bürgerinnen und Bürgern zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität von Freiräumen im Fokus stehen, zeigen eine überwiegende Unterstützung der Münchnerinnen und Münchner für neue Ideen.
Die Bestrebungen von Flächenumnutzungen in München reichen von sehr kreativen Gedankenspielen bis hin zu tatsächlich umgesetzten Projekten. Insbesondere die Umnutzung und das Umdenken von Straßenzügen weg von reinen Verkehrs- zu Aufenthalts- und Erholungsräumen liegt dabei im Interesse der Vorhaben.
Aktionen rund um den Mobilitätskongress 2023 sowie von politischen sowie gesellschaftlichen Initiativen haben in den letzten Jahren und Monaten immer weiter an Fahrt aufgenommen. Die Projekte, wenn auch teilweise mit Protest begleitet, werden meist gut angenommen.
Die Motivation hinter den Projekten liegt beispielsweise an dem Mangel an Grünflächen, fehlenden oder zu kleinen Aufenthaltsräumen für die Bürger und dem Streben nach einer verkehrsberuhigten (Innen-)Stadt in München.
1. Wie nutzen Münchnerinnen und Münchner ihre Freiflächen?
- Der verkehrsreiche, laute Platz wie der Goetheplatz oder der Baldeplatz
- Der zentrale, baulich stark geprägte Stadt- und Quartiersplatz oder die Fußgängermeile wie der Marienplatz, der Odeonsplatz oder die Sendlinger Straße
- Der Elastic Space wie das Alpina-Parkhaus mit Kulturdachgarten
- Der kleine, unaufgeregte Park nebenan wie die Parkanlage an der Glyptothek oder der Domagkpark
- Das Bewegungsband mit spiel- und sportlichen Stationen und Sitzplätzen wie der Olympiapark oder der Hirschgarten mit Skatepark
- Das (grüne) Entrée öffentlicher, kultureller oder gewerblicher Einrichtungen wie der Marianne-v.-Werefkin Weg an der Pinakothek der Moderne oder der Westfriedhof
- Weit draußen im Grüngürtel, wie das Dachauer Moos oder die Regattastrecke
- Der große Park am Fluss, Kanal oder See wie der Englische Garten oder der Landschaftspark Riem
- Der Ruhepol mit lebendigen Rändern wie die Nordhaide oder die Parkmeile Riemer Park mit der Skateranlage im Gefilde
- Qualitative Analyse: 1.167 Beobachtungen, 1.200 vor-Ort-Interviews, 9 Spaziergänge und 7 Gruppeninterviews
- Quantitative Analyse: 2.954 Fragebogen, davon 324 beantwortete Fragebogen in einer Sonderbefragung für Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen -> 17 Untersuchungsgebiete in 6 Quartierstypen
1.1 Wie häufig nutzen die Münchner*innen Grün- und Freiräume?
Fast 75% aller befragten Münchnerinnen und Münchner nutzen Freiflächen täglich oder zumindest mehrmals pro Woche. Das zeigt die Wichtigkeit dieser Flächen und die Notwendigkeit, diese als attraktive Aufenthaltsorte zu erhalten oder neu zu schaffen
1.2 Nutzungsart von Freiräumen
2. Aktuelle Umnutzungen von Straßen und Flächen im Jahr 2023
2.1 TU-Forschungsteam „M Cube“
- Mitte Juni wurde die umgestaltete Kolumbusstraße den Bewohnern im Rahmen eines Festes übergeben. Die Straße ist in Teilen komplett für den PKW-Verkehr gesperrt, teilweise wurden verkehrsberuhigte Bereiche eingerichtet. Der Asphalt wurde durch eine Wiesenfläche und beispielsweise Hochbeete für urban gardening ersetzt. Für den Radverkehr, Müllabfuhr und Rettungsdienste wurde ein Fahrstreifen beibehalten.
- Am Schlotthauer Platz wurde mit Pflanzkübeln und Sitzgelegenheiten ein Quartiersplatz als Aufenthalts- und Begegnungsraum geschaffen. Am Entenbachplatz wurden ebenfalls Sitzmöglichkeiten, Hochbeete und Pflanzkübel aufgestellt und somit ein Platz geschaffen, der zum Verweilen einlädt
- Als dauerhafte Lösungen wurden drei Mobilitätspunkte mit shared-mobility-Angeboten (E-Tretrollern, Bikes und Carsharing) geplant.
- Im Gebiet Walchenseeplatz in Obergiesing wird die Landlstraße für den Autoverkehr gesperrt, wobei Liefer- und Ladeverkehr für Anwohnende weiterhin möglich ist. Auch hier werden Sitzmöbel, Hochbeete und verbreiterte Fuß- und Radwege geschaffen.
- Wie auch in der Südlichen Au werden zwei dauerhafte Mobilitätspunkte mit Angeboten für Shared Mobility wie Bike- und Carsharing eingerichtet, an der Untersbergstraße und der Kesselbergstraße.
- Doch die Maßnahmen finden nicht nur Zustimmung: Da etwa in der Kolumbusstraße ca. 40 Parkplätze wegfallen, reichte ein Anwohner im Eilverfahren eine Anfechtungsklage ein. Ziel ist es zu überprüfen, ob derartige Sondernutzungen für einen Zeitraum von mehr als vier Monaten mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar sind.
2.2 Initiativen im Rahmen des Mobilitätskongresses 2023
3. Weitere Ideen zur Umnutzung beliebter Gebiete und Freiräume
3.1 Die Theresienwiese
Im Rahmen der langen Nacht der Architektur 2014 schrieb die Plattform München Architektur für zeitgenössische Architektur und Architekturbüros, Design und Kunst in München und Bayern einen Ideenwettbewerb für die Umnutzung der Theresienwiese aus.
- Als Sieger des Leservotings ging der Entwurf „Theresien Garten“ von Stenger2 Architekten und Partner hervor.
- Der Entwurf sah für das ansonsten freibleibende Gelände drei feststehende Kioske, ein Schirm- und Liegestuhllager sowie eine Aussichtsplattform vor.
- Der im Süden liegende Teil der Theresienwiese könnte laut Konzept ganzjährig als Wandelgarten oder etwa Parkfläche genutzt werden. Hier könnte bspw. auch ein Bereich für urban gardening installiert werden.
- In dem Konzeptbild scheint ein Großteil der Fläche begrünt, kompatibel mit der Wiesn-Nutzung im September und Oktober
Auch in den Bezirksausschüssen gab es in den letzten Jahren es verschiedene Vorschläge, die die Nutzung des Areals betrafen:
- 2015 wurde im BA 02 ein interfraktioneller Antrag auf Initiative des BA-Mitglieds Florian Florack (CSU) mit dem Titel „Wiederherstellung der Grünfläche auf der Theresienwiese“ eingereicht.
- Im Zuge des aufgrund der Pandemie entfallenen Oktoberfests 2020 stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Rosa Liste bereits im April 2020 den Antrag „Kreative Nutzung der Theresienwiese.“
- Im Januar 2021 kritisierte CSU-BA-Politiker Martin Rickert, dass am nördlichen Haupteingang der Theresienwiese immer mehr Flächen asphaltiert und versiegelt werden. Der Bezirksausschuss (BA) Ludwigs-/Isarvorstadt setzt sich dafür ein, keine weiteren Flächen zu versiegeln. Auf Betreiben der Grünen/Rosa Liste-Fraktion hat der BA 2 im Januar 2021 kleine Flächen vorgeschlagen, die die Stadt entsiegeln könnte, unter anderem am Bavariaring direkt am Haupteingang zum Oktoberfest.
- Auf der Bürgerversammlung Ludwigs-/Isarvorstadt am 20. Juli 2021 wurden weitere Ideen zur Begrünung eingebracht:
- Begrünung eines Teils der Oktoberfest-Wiesn in „echter Liegewiesen-Qualität
- Die Idee, für Musik und Tanz, Kultur und Begegnung Freiräume zur Verfügung zu stellen
- Im November 2022 kam es zu einem Antragsbeschluss des Parteivorstands von B90/Die Grünen München. Die Partei sieht ein Potenzial im Sinne von dauerhafter Begrünung. Das Oktoberfest wollen die Grünen dabei nicht in Frage stellen. Für die „Oide Wiesn“ und das Landwirtschaftsfest, die im Wechsel im Südteil der Theresienwiese stattfinden, gilt das nicht. Die „Oide Wiesn“ soll zwar nicht abgeschafft werden, allerdings meint die Partei, dass ebenso viele Besucher kommen würden, wenn es an einem anderen, zentraleren Ort stattfindet. Im Südteil der Theresienwiese gibt es erhebliche Potenziale zur Flächenbegrünung, die genutzt werden sollen.
3.2 BI „Giesinger Kirchplatz“:
Eine Umsetzung des Projekts gilt jedoch eher als unwahrscheinlich, da die Entwürfe der von ursprünglich geplanten Fußgänger- und Radwegbrücke im April 2023 offiziell im Baureferat ausgelegt wurden und die Stadt diese Lösung präferiert.
3.3 TUM-Projekt: Feine Plätzchen – Neue Freiräume für Münchens autofreie Altstadt
- „Komm mal runter! – Eine Senke für Mensch und Natur“ am Unteren Anger statt der derzeitigen Verkehrsnutzung
- „Innenhof für den Unteren Anger“: entsiegelte Flächen als autofreie Zone zur Verbesserung des Mikroklimas
- „Zeitgenössischer Anger – Die moderne Dorfwiese in der Altstadt“: ebenfalls Wechsel von Gehwegen, kleinen Mauern als Sitzmöglichkeiten und Wiesen sowie Retentionsbecken
- „Unterer Anger – Neu interpretiert“ parkähnliche Struktur mit Wegen und Rasenflächen vor sowie Obststräucher zum selbst pflücken
Wolfsbrunnen:
- „Dropping blue and green“: Mix aus Wasserbecken und Begrünung als gemeinschaftlicher Stadtplatz am Wolfsbrunnen
- „Am KOSTtor – Brot und Wasser für Alle“: Wasser und Grün- und Staudenflächenflächen sowie weiträumiger Schatten
- „Ein Wald in der Altstadt“: Mix aus versiegelten Bodenflächen und Baumbepflanzung sowie Beleuchtungskonzept für die Dunkelheit
- „Von der Insel zum Festland“: Einbindung des Platzes in die breiten umliegenden Straßen und das „Platzl“ am Hofbräuhaus München
- „Entschleunigung in der Hackenstraße“: Beibehalten der Straßenführung, aber Ersatz der Parkmöglichkeiten durch Bepflanzung und Sitzmöglichkeiten
- „Petrischale“: Wegfall des Autoverkehrs und Installation eines Brunnens sowie mehrerer kleiner grüner „Inseln“
- „The Green Corner – An oasis in a concrete city“: Aufgabe eines Wegesystems und Schaffen eines Platzes für die Allgemeinheit. Anlegen eines großen Brunnens mit Becken zum Betreten.
- “Mach Blau”: Anstatt der derzeitigen Straße soll ein Fahrradweg durch die Fläche führen, auch hier ist ein Wasserbecken und Baumbepflanzung geplant
4. Wie können Freiflächen und Freiräume nachhaltig umgestaltet werden? – Beispiele für Impulse aus der (Stadt-)Politik
4.1 Antrag der SPD-Stadtratsfraktion vom 24.04.2019, Fünf Plätze attraktiv neugestalten:
- Barer Straße / Ecke Nordendstraße
- Esperantoplatz
- Europaplatz
- Lorettoplatz
- Bonner Platz
Das bewährte Verfahren der Bürgerbeteiligung sollte analog zur Vorgehensweise bei der Bearbeitung des Antrages „5 Plätze attraktiv neu gestalten“ vom 13.08.2012 erfolgen.
- Laut Studie ist die vorhandene Grünfläche kaum nutzbar, stattdessen könnte ein Mini-Park entstehen.
- Auf dem Park sind sowohl Spielflächen als auch etwa urbanes Gärtnern vorgesehen. Anwohnerinnen und Anwohner wünschen sich etwa Boule-Flächen und einen durchgehenden Bodenbelag.
- Hier wurden die Möglichkeiten einer Maximierung der Grünflächen und der Gestaltung des Platzes als repräsentatives „Entrée“ zum Waldfriedhof genannt.
- Eine klarere Zonierung und eine Vereinheitlichung der Parkplätze wurden vorgeschlagen.
- für die Neugestaltung des Platzes an der Barer Straße / Ecke Nordendstraße die Alternative A aus der Konzeptstudie aufnimmt, und das Ergebnis dem Stadtrat vorlegen soll.
- die Planungen für eine Neugestaltung des Lorettoplatzes nicht aufnehmen soll.
4.2 Umgestaltung des Max-Josephs-Platzes
Tiefgarageneinfahrt am Max-Josephs-Platz
4.3 Einrichten von Fußgängerzonen
- 2011 wurde entschieden, dass die Sendlinger Straße in München zwischen Hackenstraße und Färbergraben zur Fußgängerzone umgewidmet werden sollte.
- Nachdem der nördliche Teil der Straße 2013 umgewidmet wurde, startete im Jahr 2016 als zeitlich begrenzter Verkehrsversuch auch die Nutzung des nördlichen Teils der Straße als Fußgängerzone. Eine gewünschte Bürgerbeteiligung der Anwohner und der angrenzenden Gewerbetreibenden wurde damals nicht durchgeführt.
- Da dieser Versuch als Erfolg gewertet wurde, folgte 2017 eine dauerhafte Umwidmung.
- Zwischen 2019 und 2020 wurden diverse Umbaumaßnahmen, Pflanzung von Bäumen und die Installation von Stadtmobiliar vorgenommen. Ein geplanter Stadtbach, der durch die Sendlinger Straße führen sollte, wurde nicht umgesetzt, da der vorgesehene Ablauf in die Kanalisation aufgrund der Entwässerungssatzung nicht gestattet war und andere Option nicht realisierbar waren.
Im Januar 2023 wurde deutlich, dass sich die Planungen verzögern. Grund dafür ist u.a., dass im Planungsfeststellungsverfahren der S-Bahn-Strecke die Anfahrt zu den Baustellen über das Tal festgeschrieben wurde, weshalb Abstimmungen zwischen der Bahn und der Stadt notwendig sind, und eine Lösung gefunden werden muss. Auf Anfrage wollte sich das Mobilitätsreferat im Mai 2023 noch nicht auf einen groben Zeitplan festlegen. Laut Abendzeitung wird derzeit eine Art Stufenplan entwickelt, mit fortschreitender Planungszeit steige jedoch auch der Unmut der Anwohnenden gegen die geplante Fußgängerzone.