Wohnraumbedarf und Zuzug in München
„München wächst und wächst – und wird jünger“ titelte die Süddeutsche Zeitung in einem im Juli 2023 veröffentlichten Artikel. Mit steigenden Bevölkerungszahlen gehen auch viele Herausforderungen einher. Unmittelbar damit verbunden ist das Problem des (bezahlbaren) Wohnraums. Um der aktuellen Dynamik in Zuzugs- und Bevölkerungsbewegungen gerecht zu werden müssen neue Wohnungen gebaut, die Stadt nachverdichtet und Leerstände verringert werden.
Auch auf nationaler Ebene wurde zuletzt die über viele Jahre hinweg negativ eingeschätzte Entwicklung der Bevölkerungszahl korrigiert. Noch 2006 ging man im Zuge der 11. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung davon aus, dass 2050 – im mittleren Prognoseszenario – nur noch 74 Millionen Menschen in Deutschland leben werden. Auch 2015 lag die Prognose noch auf einem ähnlich niedrigen Niveau. Aktuell sind zwar die Schätzungen der Geburtenraten unverändert, Deutschland ist jedoch aufgrund gesteigerter Zuwanderung vor allem in den Jahren ab 2015 entgegen den Prognosen deutlich gewachsen. Zum Jahresende 2022 lebten erstmals über 84 Millionen Menschen in Deutschland. In der derzeit aktuellen, 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird in der Variante 3 (moderate Entwicklung bei hohem Wanderungssaldo) sogar von einer möglichen Einwohnerzahl von 90 Millionen Menschen bis 2070 ausgegangen. Dies bedeutet, dass für Deutschland innerhalb von wenigen Jahren eine um bis zu 15 Millionen Menschen erhöhte Bevölkerungsprognose im Raum steht, was einen entsprechenden zusätzlichen Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur bedeutet.
1. Von Wachstum und Stagnation – München 2012-2022
Die Bevölkerung Münchens ist in den letzten Jahrzehnten zwar insgesamt deutlich angestiegen, erfuhr aber – vor allem aufgrund statistischer Korrekturen und in den Corona-Jahren – auch immer wieder Teilrückgänge oder Stagnation. Über die Jahre hinweg ist aber eine positive Bevölkerungsentwicklung erkennbar.
Ein negativer Trend war bei den Zuzugszahlen zu erkennen. Diese gingen von 2013 bis 2021 kontinuierlich zurück, was im Vergleich mit der Zahl der Weggezogenen 2017, 2020 und 2021 zu einem sogenannten negativen Wanderungssaldo führte, also zu mehr Weg- als Zuzügen. Das natürliche Wachstum der Stadtbevölkerung durch Geburt und Tod wird nicht in das Wanderungssaldo einberechnet. Ein negatives Wanderungssaldo bedeutet also nicht automatisch einen Bevölkerungsrückgang.
2. München wächst weiter bis 2040
Wie bereits die Entwicklung im Jahr 2022 gezeigt hat, nimmt die Bevölkerungszunahme wieder an Fahrt auf. Das Bayerische Landesamt für Statistik und das Planungsreferat München sehen in ihren Bevölkerungsprognosen recht ähnliche Entwicklungen, auch wenn sich die absoluten Zahlen unterscheiden. So rechnet das Bayerische Landesamt für Statistik für München mit einer Einwohnerzahl von ca. 1,6 Millionen bis zum Jahr 2041, das Planungsreferat der Stadt schätzt eine Einwohnerzahl von ca. 1,812 Millionen bis 2040.
Laut der Bevölkerungsprognose des Planungsreferats werden insbesondere die Randbezirke Münchens wachsen, da dort mehr Raum für Nachverdichtung und Neubauten vorhanden ist. In fünf Bezirken, nämlich der Ludwigsvorstadt–Isarvorstadt, Schwabing-West, der Schwanthalerhöhe, Untergiesing-Harlaching und Hadern, wird die Bevölkerung zurückgehen. Mit einem Plus von fast 79,3 Prozent wird Aubing–Lochhausen–Langwied der Stadtteil mit dem größten Wachstum sein.
Diese Prognose deckt sich auch mit der zu erwartenden Bautätigkeit. Das Neubaupotenzial der vier Bezirke Aubing-Lochhausen-Langwied, Feldmoching-Hasenbergl, Bogenhausen und Trudering-Riem umfasst über 50 Prozent des gesamten Potenzials der Stadt. Ca. 30 Prozent des Potenzials ist auf diese Randbezirke konzentriert. Die größte zu erwartende Bautätigkeit (2023-2040) wird mit über 10.000 Wohneinheiten in Aubing-Lochhausen-Langwied prognostiziert.
Die Stadt betont, dass ihre Prognosen durch unvorhersehbare externe Faktoren wie die Pandemie oder den plötzlich steigenden Zuzug schutzsuchender Personen beeinflusst werden können.
3. Wohnraum in München – Gibt es wirklich einen Mangel?
„Insbesondere in München brauchen wir mehr neue Wohnungen, sonst steigen die ohnehin sehr hohen Mieten noch weiter an“ – Jürgen Heike, früherer Staatsekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern
Seit vielen Jahren gilt München als Negativbeispiel in der Wohnungsbaupolitik. Tatsächlich herrscht in der Stadt ein im Bundesvergleich hoher Bauüberhang, das heißt, es werden deutlich mehr Wohnungen bewilligt, als im Anschluss tatsächlich gebaut werden. Nur Berlin liegt in dieser Negativstatistik vor München. Auch die Zahl der fertiggestellten neuen Wohnungen war seit 2017 in der Tendenz rückläufig, obwohl zuletzt 2022 ein positiver Trend zu erkennen war.
Laut CBRE-empirica-Leerstandsindex ist München im bundesweiten Vergleich mit einer Quote von 0,2 Prozent die Stadt mit dem geringsten Wohnungsleerstand. In den Index aufgenommen werden „Geschosswohnungen, die unmittelbar vermietbar oder mittelfristig aktivierbar sind“. In diesen Index nicht aufgenommen werden Wohnungen, die kurzfristig aufgrund von Renovierungsarbeiten etc. nicht vermietet werden.
Die Leerstands-Angaben für München sind jedoch je nach Quelle sehr unterschiedlich bzw. muss zwischen Leerstand bei der Stadt und auf dem freien Markt unterschieden werden.
Laut Antwort auf eine Stadtratsanfrage der DIE LINKE/Die PARTEI-Fraktion ergab sich aus dem 2018 durchgeführten Mikrozensus eine Leerstandsquote von 6,2 Prozent. Ein Großteil des Leerstandes fällt hierbei auf private Eigentümer zurück. Nach Angaben der SZ lag der Leerstand bei städtischen Wohnungen 2021 bei lediglich 185 Wohneinheiten. Dieser städtische Leerstand ist über die Jahre immer weiter gesunken.
Trotz der seit über 50 Jahren geltenden Zweckentfremdungssatzung der Stadt München, die z. B. Leerstände über drei Monate untersagt bzw. bestraft, scheint es kein wirksames Mittel zu geben, um den Leerstand zu reduzieren. Zwar gibt es immer wieder Erfolge und einige zweckentfremdete Nutzungen (auch Leerstände) werden verhindert, allerdings lässt die unscharfe Formulierung der Satzung auch Spielraum auf Seiten der Eigentümer zu. So besagt die Satzung, dass ein Leerstand gerechtfertigt ist, wenn „Wohnraum renoviert, umgebaut oder verkauft werden soll und deshalb vorübergehend leer steht.“
4. Benötigt München neuen Wohnraum?
4.1 Entwicklungen bis 2030
Laut der Studie (S.54) Residential Investment – Wohn- und Geschäftshäuser im Überblick 2022/2023 von Colliers fehlten in München bereits 2021 bis zu 43.000 Wohnungen. Obwohl die Bevölkerungszahl zwischenzeitlich sank, stieg die Zahl der Haushalte (etwa durch die Anhäufung von Single-Haushalten) stetig an. Das Unternehmen schätzt, dass die Zahl der Haushalte von 870.005 im Jahr 2021 um 5,5 Prozent auf 918.011 ansteigen wird.
Nach Angaben der SZ wurden in München in den letzten sechs Jahren nur durchschnittlich 7.740 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Laut Stadträtin Merk waren allerdings ca. 8.500 Wohnungen jährlich geplant. Auch die städtischen Wohnbaugesellschaften konnten ihr gestecktes Ziel von 1.250 Wohnungen pro Jahr mit insgesamt 1.164 Fertigstellungen nicht erreichen.
4.2 Entwicklungen bis 2040
Bei einer derzeitigen Bevölkerungszahl von 1,588 Millionen Menschen wird die Stadt bis 2040 laut Planungsbericht also um ca. 224.000 Personen anwachsen. Mit einem für 2040 geschätzten Durchschnitt von 1,81 Personen/Haushalt würde dies einem Bedarf von ca. 123.000 neuen Haushalten (Wohnungen, Häuser etc.) für das Jahr 2040 entsprechen. Um diesen Bedarf zu decken, müssten bis 2040 jährlich 7.235 Wohnungen fertiggestellt werden. 2022 wurden 7.510 Wohnungen realisiert. Zwar könnte somit dem Bevölkerungswachstum entsprochen werden, allerdings wünscht sich die Stadt (Stand 2022) ca. 10.000 neue Wohnungen pro Jahr, da zusätzlich auch noch der bereits derzeit herrschende Mangel von 43.000 Wohnungen (siehe 4.1) ausgeglichen werden muss.
5. Weniger Wohnraum bei mehr Bevölkerung
Zuletzt machten mehrere Projekte rund um das Neubaugebiet Neufreimann von sich Reden. Zum einen bestand die Gefahr, dass zwei Genossenschaften auf sich dort befindlichen, städtischen Flächen ihre Projekte nicht fortsetzen konnten. Das konnte jedoch durch einen finanziellen Zuschuss des Stadtrates verhindert werden. Im Juli 2023 wurde zum anderen bekannt, dass ein Investor, der auf einem Teilareal 1.000 Wohnungen errichten wollte, nur den ersten Bauabschnitt mit 253 Wohneinheiten abschließen und weitere Planungen stoppen wird.
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen und diverser Bevölkerungsprognosen ist davon auszugehen, dass München weiterhin wachsen wird. Neben dem Wachstum der Bevölkerungszahl spielt auch der zu erwartende Anstieg an Haushalten eine wichtige Rolle bei der Frage nach notwendigem Wohnraum.
Die zu erwartenden steigenden Bevölkerungszahlen treffen derzeit auf die spürbaren Auswirkungen der Coronapandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, was unter anderem in steigenden Energiepreisen und Verzögerungen in Lieferketten resultiert, sowie auf ein deutlich erhöhtes Zinsniveau. Da durch steigende Kosten und schwer berechenbare Zukunftsaussichten die Zahl der neu gebauten Wohnungen weiter sinken werden, vergrößert sich das Ungleichgewicht von Wohnraumsuchenden und vorhandenem Wohnraum stetig. Aus diesem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage resultieren steigende Preise insbesondere für Mietwohnungen bei einem zugleich bereits hohen Mietpreisniveau in München.
Die zu erwartenden steigenden Bevölkerungszahlen treffen derzeit auf die spürbaren Auswirkungen der Coronapandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, was unter anderem in steigenden Energiepreisen und Verzögerungen in Lieferketten resultiert, sowie auf ein deutlich erhöhtes Zinsniveau. Da durch steigende Kosten und schwer berechenbare Zukunftsaussichten die Zahl der neu gebauten Wohnungen weiter sinken werden, vergrößert sich das Ungleichgewicht von Wohnraumsuchenden und vorhandenem Wohnraum stetig. Aus diesem Missverhältnis von Angebot und Nachfrage resultieren steigende Preise insbesondere für Mietwohnungen bei einem zugleich bereits hohen Mietpreisniveau in München.