Wie können wir helfen?
Drucken

Verkehrskonzept Münchner Norden

Übersicht über die geplanten Verkehrsmaßnahmen im nördlichen Münchner Stadtgebiet.

Quelle: Unsplash

Stadtratsbeschluss

Am 29. Juni 2022 hat der Münchner Stadtrat mehrheitlich einen Beschluss mit dem Titel „Verkehrskonzept Münchner Norden: Verkehrliche Erreichbarkeit des Münchner Norden – Erarbeitung und Gegenüberstellung zweier Planfälle“ gefasst.  In dieses vom Mobilitätsreferat ausgearbeitete Konzept sind zahlreiche Stadtratsanträge und Anregungen aus den Bezirksausschüssen der letzten Jahre eingeflossen. Anlass für die Konzepterstellung ist die derzeitige und prognostizierte Verkehrssituation im Münchner Norden. So ist der öffentliche Verkehr sowie das Straßennetz in Spitzenstunden stark ausgelastet und führt bspw. zu einer bereits heute eingeschränkten Erreichbarkeit von Gewerbebetrieben im nördlichen Münchner Stadtgebiet. Zumal Prognosen zeigen, dass sich die Verkehrssituation in den Stadtbezirken Schwabing-Freimann, Milbertshofen-Am Hart und Feldmoching-Hasenbergl durch stetiges Wachstum der Arbeitsplätze und der Bevölkerung in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. So rechnet die Landeshauptstadt in diesen Bezirken, ausgehend vom Bezugsjahr 2014, mit einer Steigerung der Arbeitsplätze um rund 20 % bis 2030 und einem Anwachsen der Bevölkerung um ebenfalls 20 % bis 2035, ausgehend vom Jahr 2018. Hinzu kommt, die im Jahr 2020 vom Stadtrat beschlossene Durchführung von vorbereitenden Untersuchungen für eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Planungsgebiet Feldmoching-Ludwigsfeld (SEM Nord).

Bereits 2010 hatte die Landeshauptstadt München mit der Entwicklung eines Verkehrskonzepts für den Münchner Norden begonnen. Seither wurde der aktuelle Stand des Konzepts mehrmals im Stadtrat vorgestellt. Bislang wurde der geplante Beschluss in der Öffentlichkeit hauptsächlich und nahezu ausschließlich unter dem Titel „Tunnel Schleißheimer Straße“ diskutiert. Dass es sich dabei jedoch um ein gesamtumfassendes Konzept handelt, das auch weitreichende Entwicklungen für den ÖPNV vorsieht, soll im Folgenden dargestellt werden:

Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

Planungen aus dem Nahverkehrsplan für den Münchner Norden

Die Weiterentwicklung des ÖPNV im Münchner Norden beruht maßgeblich auf dem angestrebten Zielnetz „Tram 2035+“. Darin enthalten ist die geplante Tram Y-Nord. Diese soll vom Hauptbahnhof entlang der Schleißheimer Straße verlaufen und sich im Münchner Norden in Form eines „Y“ sowohl nach Nordwesten mit Verlängerung in ein mögliches Stadtentwicklungsgebiet Nord (Raum Feldmoching) sowie nach Osten nach Am Hart verzweigen. Zudem soll die Tram zur Bayernkaserne mit Anschluss an die verlängerte Tramlinie 23 weitergeführt werden.

Die Siedlung am Lerchenauer See und das neue Entwicklungsgebiet Eggarten soll durch eine Verlängerung der Linie U1 an das U-Bahn-Netz angeschlossen werden. Dies würde perspektivisch auch eine Verlängerung zu einem potenziellen Stadtentwicklungsgebiet Nordwest ermöglichen.

Ebenso soll der ÖPNV durch die Ausweitung des Busangebots (bspw. Expressbuslinien X35/36 oder Buslinien 172 & 180) verbessert werden.

Um die bestehende P+R Anlage in Fröttmaning noch attraktiver zu machen, ist neben der existierenden Anbindung über die U6 ein Bus-Shuttleverkehr zu den Gewerbebetrieben im Münchner Norden vorgesehen. Hierzu soll eine enge Abstimmung mit dem P+R Betreiber und den betroffenen Unternehmen erfolgen.

Langfristig soll zudem der Ausbau der U9 sowie eine mögliche U2-U6 Verbindung die Verkehrssituation in Münchens Norden entlasten. Beide Vorhaben sind jedoch bestenfalls sehr langfristig zu realisieren.

Nutzung des DB Nordrings für den Personenverkehr

Ein weiterer Baustein in der ÖPNV Planung ist die Nutzung des DB Nordrings für den Personenverkehr. Mittelfristig soll so eine Verbindung von Karlsfeld in die Gewerbegebiete in München Nord entstehen, die langfristig noch verlängert werden könnte. Eine Machbarkeitsstudie wurde bereits vorgestellt und es wurden Planungsvereinbarungen zwischen dem Freistaat Bayern und der DB AG geschlossen. Der Freistaat möchte jedoch, entgegen den Empfehlungen des vorgestellten Gutachtens, nur einen Ausbau bis zum BMW FIZ und nicht bis zum Euro-Industriepark finanzieren. Lediglich bei einer Mitfinanzierung durch die LH München käme eine solche Weiterführung für den Freistaat Bayern in Frage. Da es sich laut Verkehrsanalysen jedoch hauptsächlich um Pendelverkehr aus dem Dachauer Umland und somit nicht um innerstädtischen Verkehr handeln würde, wäre die LH München lediglich bereit, einen Haltepunkt am Euro-Industriepark, nicht jedoch die Strecke mitzufinanzieren. Um die Problematik mit dem Freistaat zu klären, sollen Finanzierungsverhandlungen erfolgen.

Korridor München Feldmoching/Moosach – Dachau

Da zwischen der Region Dachau und den Gewerbegebieten im Münchner Norden hohe Pendlerströme zu verzeichnen sind, sieht das Verkehrskonzept neben dem vorgestellten Ausbau des DB-Nordrings weitere Überlegungen vor, um die Strecke zu entlasten. Zumal die derzeitigen S- und U-Bahnverbindungen stets über den Hauptbahnhof erfolgen und sich eine durchschnittliche Reisezeit von insgesamt einer Stunde ergibt. Die Nutzung eines PKWs für die Strecke ist so meist zeitsparender.

Für den Korridor Feldmoching – Dachau soll ein ÖV-Systemvergleich unter Berücksichtigung einer möglichen SEM im Bereich Feldmoching-Ludwigsfeld für die folgenden Vorschläge erfolgen:

  • Tram- oder U-Bahnverbindung Feldmoching – Karlsfeld – Dachau
  • Urbane Seilbahn
  • Transportsystem Bögl Dachau – Feldmoching (Streckenführung nach Moosach wird nicht weiterverfolgt)
  • S-Bahnhaltepunkt Breitenau mit P&R
  • Ausbau DB-Nordring Richtung Dachau und in Richtung Nordosten
  • Expressbussysteme
  • Ottobahn

Neben den Untersuchungen des ÖV-Systemvergleichs für den Korridor Dachau-Feldmoching soll für die Trambahnverbindung zwischen Dachau und Moosach eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden.

Motorisierter Individualverkehr

Trassierungsuntersuchung Tunnel Schleißheimer Straße

Bereits in der Vollversammlung des Stadtrats vom 22.10.2014 wurde von der damaligen schwarz-roten Koalition eine Anbindung der Schleißheimer Straße an die Bundesautobahn A 99 beschlossen. Hierzu wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die verschiedene Lösungen gegeneinander abwägte. Grundsätzlich besteht das Problem, dass eine Verlängerung der Schleißheimer Straße nach Norden an die A99 ein Eingriff in das dortige FFH-Gebiet zur Folge hätte. Eine Tunnelführung in unmittelbarer Verlängerung der Schleißheimer Straße nach Norden durch das FFH-Gebiet wäre daher auf Grund von Alternativen laut Gutachten voraussichtlich nicht genehmigungsfähig. Die Varianten A1, A2 und A3 (siehe Abbildung) scheiden demnach aus. Bei den Varianten A6 und A7 steht der verkehrliche Nutzen nicht im Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Die Variante A0 hätte laut Gutachten erhebliche Belastungen für die Anwohner zur Folge. Da Variante A5 aufgrund der erforderlichen Eingriffe in die Grünstrukturen nicht weiterverfolgt werden sollte, empfiehlt das Gutachten, Variante A4 mit einer Tunnelführung durch das Hasenbergl mit Anbindung an das Autobahndreieck Feldmoching als Vorzugslösung. Diese Alternative weise die geringsten Beeinträchtigungen auf und schneide in der Gesamtbewertung über alle Bewertungskriterien hinweg am besten ab. Die Variante A1 sieht einen Tunnel entlang der Achse der Schleißheimer Straße bis ca. 300 m nördlich des U-Bahnhofs Dülferstraße vor, der anschließend westlich parallel zur Aschenbrennerstraße bis zur Kleingartenanlage mit anschließendem Richtungswechsel zum Autobahndreieck Feldmoching (A 99/A 92) verlaufen würde.

Abbildung: Varianten einer Autobahnanbindung (Quelle: Baureferat)

Sachstand Sanierung/ Ausbau Allacher Tunnel – P+R-Anlage Karlsfeld

Um der ab dem Jahr 2025 anstehenden Sanierung des Allacher Tunnels und den damit verbundenen Verkehrsverlagerungen auf das städtische Hauptstraßennetz entgegenzusteuern, strebt die Landeshauptstadt München an, den geplanten Pendelbetrieb auf dem DB-Nordring zwischen Karlsfeld und BMW FIZ sowie den Ausbau von P+R-Anlagen, wie z. B. der P+R Anlage Karlsfeld, zu beschleunigen. Dies könnte dazu beitragen, den ÖPNV attraktiver zu machen und ggf. Pendler auch nach der Sanierung des Tunnels zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu animieren.

Verkehrslenkende Maßnahmen zur Reduzierung des Kfz-Verkehrs

Die im Jahr 2021 vom Stadtrat beschlossenen Mobilitätsstrategie 2035, hat u. a. zum Ziel, dass bis zum Jahr 2025 mindestens 80 Prozent des Verkehrs im Münchner Stadtgebiet durch abgasfreie Kraftfahrzeuge, den öffentlichen Personennahverkehr, sowie Fuß- und Radverkehr zurückgelegt werden. Um dieses Ziel im Münchner Norden zu erreichen, strebt das Mobilitätsreferat die Beauftragung einer Untersuchung an, die einen Maßnahmenkatalog speziell für den Münchner Norden empfehlen soll.

Für das weitere Vorgehen empfiehlt das Mobilitätsreferat, dass eine Vertiefung der beiden Planfälle (ÖPNV & Motorisierter Individualverkehr) zum jetzigen Zeitpunkt unverzichtbar ist. Nur so könne sichergestellt werden, dass zukünftige und kurzfristige Entwicklungen mitberücksichtigt werden können.

In der Vollversammlung am 29.06.2022 wurde gegen die Stimmen von Die Grünen – Rosa Liste, ÖDP/München-Liste und Die Line/Die PARTEI schließlich folgendes beschlossen:

  • Das Mobilitätsreferat wurde beauftragt, in Zusammenarbeit mit den betreffenden Stellen, dem Stadtrat im Jahr 2024 die Machbarkeitsstudien zum ÖPNV-Ausbau, eine Weiterverfolgung der Tunnelvariante A4 „Tunnel im Norden (Hasenbergl)“ und die Untersuchung verkehrslenkender Maßnahmen vorzustellen.
  • Zudem soll das Mobilitätsreferat gemeinsam mit den betreffenden Stellen, einen ÖV-Systemvergleich für eine ÖV-Anbindung in dem Korridor zwischen Dachau und dem Untersuchungsgebiet Feldmoching-Ludwigsfeld durchführen.
  • Das Baureferat wird beauftragt, auf Basis der Variante A4 „Tunnel im Norden (Hasenbergl)“ die Unterlagen für die Einreichung der Planfeststellung zu erarbeiten und das Ergebnis der Planung spätestens in 2024 vor Beantragung der Planfeststellung vorzulegen.
  • Das Mobilitätsreferat wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit den betroffenen Referaten und der SWM/MVG, mit Hilfe einer Untersuchung verkehrslenkende Maßnahmen zu identifizieren, mit welchen die Ziele der Mobilitätsstrategie 2035 im Münchner Norden erreicht werden können.
  • Bezüglich einer Beteiligung bei den Kosten des S-Bahnhaltepunktes Euro-Industriepark soll das Mobilitätsreferat Verhandlungen mit dem Freistaat Bayern führen.
  • Außerdem soll das Mobilitätsreferat mit dem Freistaat Bayern eine Verdichtung des Angebots für den Personenverkehr auf dem DB Nordring auf einen ganztägigen 20-Minuten-Takt, mit einer Führung bis zum Euro-Industriepark bis 2026 und in einer zweiten Stufe mit einer Weiterführung nach Osten (Johanneskirchen/Ostbahnhof) und Westen erarbeiten.
  • Ebenso soll das Mobilitätsreferat mit den beteiligten Akteuren eine Lösung für die Errichtung eines bedarfsgerechten Shuttleverkehrs von der P+R-Anlage Fröttmaning zu den jeweiligen Firmenstandorten im Münchner Norden erarbeiten.

Der Beschluss wurde im Vorfeld öffentlich kontrovers diskutiert. Besonders an der Maßnahme „Tunnel Schleißheimer Straße“ gab es von verschiedenen Seiten Kritik. Vor Ort hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die einen Bau ablehnt. Darüber hinaus haben sich insbesondere Umweltschutzorganisationen gegen die Errichtung des Tunnels ausgesprochen. Sowohl bei der BI als auch bei den Organisationen sind dabei vor allem grundsätzliche Argumente im Sinne der Klimakrise und der Verkehrswende zu sehen. Eine zentrale Behauptung ist die Aussage, dass dieser Tunnel ausschließlich BMW zugutekomme. Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag der derzeitigen grün-roten Rathauskoalition grundsätzlich vor, dass dieses Tunnelprojekt nicht weiterverfolgt wird und enthält explizit den Passus, dass die Planungen eingestellt werden. Die SPD hat sich jedoch im Vorfeld der Sitzung am 29.06.2022 dazu bereit erklärt, in dieser Frage vom Koalitionsvertrag abzuweichen und zusammen mit der CSU, den Freien Wählern und weiteren Befürwortern dafür zu sorgen, dass diese neue Anbindung geplant und umgesetzt wird.

Die Realisierung einer neuen Anbindung ist zentrales Element einer künftigen Mobilitätslösung für den Münchner Norden und sehr wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen.

Ein Tunnel und eine neue Anbindung an die A99 an dieser Stelle ist vor dem Hintergrund einer weiteren Entwicklung im gesamten Norden der LH München eine wichtige Maßnahme, um bestehende Verbindungen zu entlasten und damit auch Räume für alternative Mobilitätsangebote zu schaffen. Gerade auch im Hinblick auf den bestehenden LKW-Verkehr kann der Tunnel ein Bypass zum überlasteten Straßennetz im Münchner Norden sein. Darüber hinaus ist es für verschiedene, bestehende Unternehmensstandorte ein wichtiger Standortfaktor. Mit dem Tunnel werden zudem Geräusche und die Luftschadstoffe vor Ort reduziert. Gleichzeitig entsteht Platz für die Verbesserung der Aufenthaltsqualität im oberirdischen Straßenraum. Eine Mobilitätsstrategie für den Münchner Norden, ohne den motorisierten Individualverkehr zu betrachten, kann keine tragfähigen Lösungen für eine weitere positive Entwicklung sein und wird sich letztlich negativ für die gesamte weitere Stadtplanung und wirtschaftliche Positionierung auswirken.

Der Tunnel und die damit verbundene Anbindung an die A99 sind also nicht nur eine verkehrliche Maßnahme, sondern ein zentraler Faktor für die weitere wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung im gesamten Münchner Norden.

Kategorien
Inhaltsverzeichnis